Von der Nachhaltigkeit des Edlen und Schönen

Herausforderungen zu sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit werden normalerweise nicht mit der glamourösen oder elegant-diskreten Welt des Luxus assoziiert. Bisher waren es vorwiegend Anbieter von Massenprodukten, die an den Pranger gestellt wurden, wenn Themen wie Umwelt- oder Arbeitsrechtsverstöße in den Lieferketten in den Fokus rückten.

Die Luxusbranche konnte in der Tat von einem gewissen Vertrauensvorsprung zehren, schwingt doch bei dem Gedanken an hochwertige, handgemachte Produkte aus Deutschland, Frankreich, Italien oder der Schweiz stets die Allure von Exzellenz und Makellosigkeit mit.

Doch nicht alles, was glänzt, ist Gold, denn die Unternehmen bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Exklusivität und Skaleneffekten, insbesondere die börsennotierten Konzerne. Zugleich gehen immer mehr Verbraucher davon aus, dass ein exzellentes Luxusprodukt nicht nur höchste Ansprüche an Qualität und Markenidentität, sondern auch Nachhaltigkeitskriterien erfüllen muss. Diese Erwartungshaltung wird durch die Medien, das Internet und Verbrauchergruppen bestärkt, die Luxus zunehmend als Erlebnis und den Ausdruck eigener Werte verstehen – und die zugleich hohe Ansprüche an die Transparenz von Unternehmen stellen.

Dies bestätigt eine aktuelle Studie der britischen Organisationen Positive Luxury und Luxury Institute mit dem Titel „2016 Predictions for the Luxury Industry: Sustainability & Innovation“. Die Studie basiert auf umfassenden Sekundärforschungen und Interviews mit Meinungsführern, Experten aus NGOs und dem Weltwirtschaftsforum sowie CEOs, Marketing- und Nachhaltigkeitsmanagern von weltweit führenden Unternehmen der Luxusbranche.

Der anerkannte britische Nachhaltigkeitsexperte John Elkington bringt die möglichen Auswirkungen für einen Luxusanbieter, der die wesentlichen Nachhaltigkeitsfragen seiner Branche nicht adressiert, wie folgt auf den Punkt (s. Harvard Business Review):

„Das implizite Versprechen

[von Luxusprodukten] ist, dass sich der Käufer über nichts Gedanken machen muss. Es wird an alles gedacht… Bis er möglicherweise erfährt, dass dem nicht so ist. Und in diesem Moment verblasst das Bild der Unverwundbarkeit und der Perfektion.“

Vielfältige Produktarten – vielfältige Herausforderungen

Unter Luxus werden Produkte und Services in Top Marktsegmenten mit hohen materiellen und intrinsischen Werten aus den Bereichen Mode, Lederwaren, Accessoires, Kosmetik, Juwelen, Uhren, Autos, Immobilien, Möbel, Food, Touristik u.a. verstanden. So unterschiedlich die Produkte und Services, so unterschiedlich sind auch ihre gesellschaftlichen Auswirkungen positiver wie negativer Art – und damit die Handlungsfelder des Nachhaltigkeitsmanagements.

Einige Beispiele:

  • Fashion: Nicht nur Billigmode, sondern auch die schillernde Welt der Catwalks hinterlässt tiefe Fußabdrücke. So macht die Umweltorganisation Greenpeace seit Jahren während der internationalen Modenschauen in Mailand mit spektakulären PR-Aktionen auf die erheblichen Gesundheits- und Umweltschäden in der weltweiten Textillieferkette aufmerksam. Und lancierte zudem DETOX, ein Projekt für giftfreie Mode, dem seit 2014 einige namhafte Prêt-à-porter Anbieter, allen voran die Valentino Group, beigetreten sind. Gut zu wissen: Die niederländische Non-Profit-Organisation Made-By hat ein Fortschrittsmessungs-Tool entwickelt, anhand dessen die soziale und ökologische Nachhaltigkeit von Modeunternehmen und Einzelhändlern gemessen werden kann.
  • Lederwaren: Regelmäßig berichten Medien über die desaströsen Auswirkungen der Ledergerbung in Asien. Als Beispiel sei die Dokumentation „Giftiges Leder“ genannt, die im Oktober 2015 auf Arte ausgestrahlt wurde. Als besonders problematisch gilt die Gerbung mit Chromsalzen. Dabei werden Chrom (III)-Salze eingesetzt, die zwar prinzipiell als unbedenklich gelten, doch bei unsachgemäßen Gerb- oder Gebrauchsbedingungen Chrom (VI)-Verbindungen entwickeln können, die erhebliche Risiken für Mensch und Umwelt bergen. Für hochwertige Polsterleder in der Möbel- und Automobilbranche werden daher heute FOC-Leder (free of chrome) verwendet. Bekannte Hersteller luxuriöser Taschen und Accessoires beziehen ihre Leder meist aus europäischen, z.B. französischen und italienischen Gerbereien, die der europäischen Umweltgesetzgebung unterliegen und exzellente Qualitäten liefern. Jüngst haben Hermés und Prada kleinere europäische Spezialgerbereien übernommen, um so die Beschaffung der hochwertigen Materialien langfristig zu sichern.
  • Juwelen: Gold und Edelsteine werden vor allem in Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas gefördert; die Prozesse sind mit besonders hohen Risiken für Mensch und Umwelt verbunden. Diesbezügliche Medienberichte und Hollywoodproduktionen (z.B. Blood Diamonds) rücken diese Probleme zunehmend in den Blick der Öffentlichkeit. Abhilfe schaffen soll etwa der Kimberley Process, ein Zertifikat, das “konfliktfreie” Diamanten verspricht. Neben Reputationsrisiken sehen sich die Hersteller zudem mit steigenden Beschaffungsrisiken konfrontiert, weil Rohdiamanten knapper werden. Gleiches gilt für Farbedelsteine und organische Materialien wie Koralle oder Türkis.
  • Reisen: Enorme Herausforderungen ergeben sich auch im Bereich der Dienstleistungen. In der Touristik etwa werden Luxusreisen oder Kreuzfahrten als Erlebnisse im Paradies vermarktet – und fördern zugleich dessen Zerstörung. Die eklatanten ökologischen Auswirkungen des Tourismus mit Blick auf Klimawandel, bedrohte Naturräume, Abfall, Wasser- und Ressourcenverbrauch sind umfassend dokumentiert. Hinzu kommen soziale, kulturelle und wirtschaftliche Probleme in den Ländern des Südens. Von der ökonomischen Wertschöpfung jedoch bleibt oft nur ein Bruchteil in den „Traum-Destinationen“ hängen – sofern die marktbestimmenden Akteure nicht durch umfassendes, professionelles Nachhaltigkeitsmanagement gegensteuern. Längst profilieren sich neben Nischenanbietern auch große Reiseveranstalter mit Angeboten, die Luxus mit Authentizität und Naturnähe verbinden und vor allem Lohas ansprechen sollen. Der Trend zu exklusiven Öko-Resorts spricht für sich. Hochwertige Reiseangebote können zudem durchaus Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, ohne dass diese explizit benannt werden. Denn viele (Luxus-)Reisende wollen sich im verdienten Urlaub entspannen und nicht mit Umweltfragen oder sozialer Nachhaltigkeit befassen.

Gesetzgeber und Investoren als treibende Kräfte

Gesetzgeber und multinationale Organisationen haben in 2015 den Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung noch klarer abgesteckt. Man denke an COP21, die CSR-Berichtspflicht der EU, die UN Sustainable Development Goals und den Modern Slavery Act.

Im Nachhall dieser Entwicklungen steht zu erwarten, dass institutionelle Investoren ihre Entscheidungen stärker als bisher an Nachhaltigkeitskriterien ausrichten werden*. Beispielsweise hat der weltweit größte Staatsfond aus Norwegen bereits mehrfach durch Divestments aus nicht nachhaltigen Branchen oder Firmen von sich reden gemacht. Die US Bank Morgan Stanley hat das Institute for Sustainable Investing gegründet, dessen Leiterin Audrey Choi zu Jahresbeginn einen viel beachteten TED talk hielt. Für alle, die tiefer in die Materie nachhaltiger Investments einsteigen möchten, veröffentlicht die anerkannte Rating-Agentur Oekom Research aus München regelmäßig Berichte zur Nachhaltigkeitsleistung von Branchen und Unternehmen. Hier der aktuelle Corporate Responsibility Review von 2016.

* Nachtrag Mai 2016: eine von MIT Sloan Management Review und BCG veröffentlichte Studie bestätigt die genannten Erwartungen: Investing for a Sustainable Future: Investors Care More about Sustainability than Many Executives Believe

Und die deutschen Luxusanbieter?

Viele deutsche Anbieter von Luxusgütern verkörpern bereits elementare Aspekte von Nachhaltigkeit, wie die aktuelle Studie der Markenberatungen Biesalski & Company und Brand Networks mit dem Titel: Die deutschen Luxusmarken 2016 – Anspruch verpflichtet zeigt. Die Studie wurde in Kooperation mit der Wirtschaftswoche Anfang April veröffentlicht und basiert auf Einschätzungen von 182 Experten aus Branchen- und Fachverbänden, der Fachpresse und dem Luxusfachhandel. Untersucht wurden 79 deutsche Luxushersteller. Die Studie belegt, dass Marken aus Frankreich und Italien in Sachen Innovation und Emotionalisierung den hiesigen Akteuren Einiges voraus haben (abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Porsche). Dafür besticht Luxus made in Germany vor allem durch zeitlos-diskreten Stil, technische Perfektion, Langlebigkeit und Werterhalt. Diese Kernwerte reflektieren Nachhaltigkeit auf herausragende Weise und bilden zugleich einen wesentlichen Teil des Markenfundaments der untersuchten Unternehmen. So gesehen, gehen Luxus und Nachhaltigkeit Hand in Hand.

Zu diesem Schluss kommen auch die Autoren der Studie:

Zukünftige Erfolgsfaktoren: Nachhaltigkeit und Emotionalisierung im Internet sind DIE Zukunftsthemen auch im Luxussegment.

Luxus und Nachhaltigkeit – Affinität und Zukunftschancen

Demzufolge sollten Unternehmen der Luxusbranche Nachhaltigkeit nicht als notwendiges Übel betrachten, sondern eine klare Vorstellung davon haben, wo die größten Risiken und Chancen ihres Geschäftsmodells liegen, und ihr Engagement in den für sie wesentlichen Handlungsfeldern aktiv vorantreiben. Dazu gehört auch, den Impact des eigenen Geschäfts sowie Ziele und Maßnahmen offen zu kommunizieren.

Dafür eignet sich natürlich ein Nachhaltigkeitsreport. Daneben muss Nachhaltigkeit gezielt und wohl dosiert in die Kundenkommunikation der Luxushersteller einfließen. Bspw. hat Gesa Prüne in ihrer 2013 veröffentlichten Dissertation zu “Luxus und Nachhaltigkeit” ein Konzept entwickelt, das beschreibt, wie systematisches Nachhaltigkeitsmanagement erfolgreich in die Marketing- und Kommunikationsstrategie von Luxusanbietern integriert werden kann.

Die Kerneigenschaften von Luxusprodukten wie Hochwertigkeit, Handwerk und Langlebigkeit sind aktueller und angesichts weltweit schwindender Ressourcen notwendiger denn je. Die Anbieter können systematisch auf diese Tugenden verweisen und ihre Marken in Verbindung mit gesellschaftlicher Verantwortung als Ausdruck von Stil, Hochwertigkeit und Sinnhaftigkeit inszenieren. Gelingt dies, kann die Frage aus der Titelzeile mit einem entschiedenen Ja! beantwortet werden.

Und die Wirtschaftlichkeit? Wenn die wesentlichen Vorteile des Nachhaltigkeitsmanagements von Luxusunternehmen u.a. in der Risikosteuerung, Reputation und Markenstärke liegen, spiegelt sich dies in den immateriellen Werten wider. Zumindest auf mittlere bis lange Sicht.

Ein Blick in die Bilanzen vieler Luxusunternehmen beweist: gerade die Intangibles stellen den Löwenanteil ihrer Vermögenswerte dar…