Hinweis: Kann Spuren von Ironie enthalten

Es ist doch einfach: Wer sich verständlich ausdrückt, macht sich nackt. Fällt der Schleier der Rhetorik, lässt sich schlichtweg nicht länger verbergen, dass man meist nichts zu sagen hat, oder dass das, was gesagt werden soll, unangenehm ist.

Wunderbar auf den Punkt gebracht hat dies die brand eins in einem Artikel über einfache Sprache. Gemäß den Regeln des „Netzwerks Leichte Sprache“ hat das Wirtschaftsmagazin eine VW-Presseerklärung zu Dieselgate in einfaches Deutsch zu übersetzen versucht. Und siehe da, kaum verwendet man einfaches Vokabular, vermeidet Schachtelsätze und hält sich kurz, lautet die inhaltliche Essenz:

Volks-Wagen sagt:

– Die Anwälte haben schon viel geprüft.

– Aber die Anwälte sollen noch mehr prüfen.

– Die Anwälte haben schon sehr viel gelesen.

– Aber die Anwälte sollen noch viel mehr lesen.

– Volks-Wagen hat schon viele Menschen in der Firma befragt.

– Aber Volks-Wagen wird noch mehr Menschen befragen.

Die Anwälte sagen: Im Winter sind wir fertig.

Klarheit ist das Lichtschwert im Kampf gegen Blödsinn

Natürlich ist der brand-eins-Artikel ironisch. Natürlich muss einfache Sprache nicht banal sein. Und natürlich muss nicht jeder Text für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder geringen Sprachkenntnissen barrierefrei sein. Dennoch: Klarheit ist das Lichtschwert im Kampf gegen Blödsinn. Und letzterer kann sich in unterschiedlichste Sprachgewänder kleiden. Wollte man eine Quintessenz vieler Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen in einfacher Sprache erstellen, käme man zu einer ganz ähnlichen Kurzfassung:

Wir machen schon ganz viel.

Und wir werden noch viel mehr machen.

Wann wir fertig sind, wissen wir nicht.

Die Sache ist schwierig.

Die einen nennen eine solche Nachhaltigkeitsberichterstattung (wahlweise geschmückt in hübsches Layout und modernes Storytelling, ausgebreitet auf 100+ Seiten, versehen mit Infografiken und oft genug halbseidenen Kennzahlen) Greenwashing, die anderen finden es eine Verschwendung von unternehmerischen Ressourcen, bei den nächsten und meisten überschreitet derartige Kommunikation nicht einmal die Belanglosigkeitsschwelle der individuellen Informationsgewohnheiten. Darüber ist schon oft und viel lamentiert worden.

Was ist gut daran, unverständlich zu sein?

Viel interessanter ist doch die Frage, warum Kommunikations- und Nachhaltigkeitsprofis seit Jahrzehnten die Taktik der Unverständlichkeit wählen. Denn dort sitzen meist richtig gute Leute. Ja, es gibt das Gefälle von Experten-Laien-Kommunikation. Nachhaltigkeit ist komplex, und wer viele Jahre im Unternehmenssilo des Nachhaltigkeitsmanagements gesessen hat, kann den Bezug zur Realität verlieren. Trotz Stakeholderdialog.

Viel offensichtlicher ist indes die schlichte Einsicht: Unternehmen wollen oft unverständlich sein. Weil in vielen Fällen kommuniziert werden muss, obwohl es nichts zu sagen gibt. Weil jemand das so will. Weil es Termine gibt. Weil es Transparenzpflichten gibt. Weil man das halt so macht. Und dann braucht man eine Methode, um auf reputationsverträgliche Art zu verbergen, dass eigentlich nicht genug passiert ist, um den ganzen Aufwand zu rechtfertigen. Unverständlichkeit ist praktisch.

Was ist gut daran, verständlich zu sein?

Zur Klarstellung: Auch einfache Sprache in Nachhaltigkeitsberichten kann unverständlich sein. Wenn sie nicht darauf abzielt, Informationen in Sinnzusammenhänge zu stellen und zu ermöglichen, sich ein Bild der Gesamtsituation zu machen. Oft meinen wir nur, verstanden zu haben.

Ein Beispiel. Das „Netzwerk Leichte Sprache“ hat die deutschen Grundrechte in einfaches Deutsch übersetzt. Lesen Sie den folgenden Paragraphen in Ihrem normalen Lesetempo einmal durch, drehen Sie sich um und versuchen Sie in eigenen Worte wiederzugeben, was hier gesagt ist:

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Dieser Passus ist kein Juristendeutsch. Er ist „normale“ Sprache. In leichter Sprache liest es sich so:

Alle Menschen dürfen offen ihre Meinung sagen.

Alle dürfen sagen und schreiben, was sie denken.

Alle dürfen ihre Meinung zeigen: zum Beispiel auf Fotos und Bildern.

Alle Menschen dürfen sich informieren: Zum Beispiel aus Zeitungen und dem Radio.

Oder aus dem Fernsehen und Internet.

Reporter dürfen Berichte und Meinungen weitergeben.

Reporter arbeiten für die Presse…

Man muss zu keiner benachteiligten Personengruppe gehören, um von Verständlichkeit zu profitieren. Bei Texten, deren Ziel es ist zu informieren, hilft sie uns allen. In Finnland ist die Verständlichkeit von öffentlichen Texten übrigens im Grundgesetz verankert. Geschadet hat das dem Bildungsniveau der Finnen nicht. #Pisa.

Verständlichkeit ist was für Mutige

Alles, was sich sagen lässt, lässt sich auch einfach ausdrücken. So ungefähr sagte das schon Albert Einstein, und der hat sich mit komplexeren Themen als Nachhaltigkeit beschäftigt. Konsequente Verständlichkeit ist mehr als der kommunikativ inszenierte Versuch, Inklusion zu leben. Sie erfordert auf gut deutsch Arsch in der Hose.

Der Lohn: In Zeiten von umfassender Nachhaltigkeitsmüdigkeit und dem Unwillen vieler Stakeholdergruppen, Unternehmenskommunikation Glauben zu schenken, kann bodenständige Klarheit mehr für die Reputation tun als der größte Trommelwirbel. Wie herrlich. Das spart am Ende sogar Geld. Das einzige, was es dafür braucht, ist ein bisschen Rückgrat. Wirklich nur ein bisschen. Es tut gar nicht weh.

Leicht gesagt

Es ist im Übrigen eine Geistesschulung der besonderen Art, eigene Aussagen in leichte Sprache zu übersetzen. Vielleicht führt das dazu, dass wir am Ende weniger von uns geben. Das wäre nicht die schlechteste Wendung, die das Weltgeschehen nehmen könnte. In jedem Fall hätte das, was dann käme, mehr Substanz. Konjunktive sind in einfacher Sprache im Übrigen verboten.

Daher nun in leichter Sprache:

Der Fährmann findet:

Einfache Sprache ist leicht zu verstehen.

Viele Menschen möchten nicht verstanden werden.

Deshalb reden und schreiben sie schwer.

Wir sollen nicht sehen, dass sie nichts zu sagen haben.

Das ist schade.

Die Lösung: Nur sagen, was wichtig ist.

Das braucht Mut.

Aber dann ist die Welt besser.

Das ist gut.

In seiner anmutenden Schlichtheit ist das fast schon Lyrik. Noch ein bisschen verdichtet, und wir haben einen Haiku*.

Die Verständlichkeit pirscht durchs Unterholz

Ein Sprachwald im Morgenlicht

Nebel

Das ist vielleicht nicht einfach. Aber wenigstens kurz.

Und übrigens. Der Fährmann achtet konsequent auf Verständlichkeit bei allen Kommunikationsdienstleistungen zu Nachhaltigkeit. Mehr dazu erklärt Désirée Schubert hier.

* Eine traditionelle japanische und sehr kurze Gedichtsform, in deutscher Übersetzung meist in drei Versen wiedergegeben.