Aus dem Bauch des Eisbergs zu nachhaltigem Höhenflug

Unternehmenskontext heute: global, komplex, schnell

Der Unternehmenskontext ist so komplex, dynamisch vernetzt und schnelldrehend, dass jegliche Form von mittelfristiger Planung wie ein naives Ratespiel erscheint. In der Tat, selbst halbwegs zuverlässige Vorhersagen über den zu erwartenden Verlauf der Dinge zu treffen, wird immer schwieriger und lässt sich kaum mehr an wenige Köpfe delegieren – egal, wie erfahren sie sind. Denn was gestern Erfolg brachte, kann schon morgen direkt in die Sackgasse führen. Und Individuen oder Teams sehen nicht so viel wie ein Kollektiv.

„Weiche“ Faktoren schaffen harte unternehmerische Fakten

Wenn Gesellschaften sich verändern und die Komplexität steigt, müssen alle Köpfe im Unternehmen ihre Kreativität, ihr Wissen und Engagement einbringen und sich kontinuierlich weiterentwickeln, damit Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben. Wie das gehen kann, beschreiben der anerkannte amerikanische Organisationspsychologe Robert Kegan und seine Kollegen in dem aktuellen Werk „An Everyone Culture“ eindrücklich.

Die modernen Neurowissenschaften bestätigen zudem, dass Lernen, Weiterentwicklung und positive zwischenmenschliche Beziehungen elementare Bedürfnisse darstellen – gerade auch im beruflichen Umfeld (anschaulich und praxisnah beschrieben bei Purps-Pardigol, 2015). Dass klassisches Top-Down-Denken und enge Führung dem diametral entgegenstehen, hat sich längst herumgesprochen. Dennoch werden sie täglich weiter zelebriert von Führungskräften, die alten Kontrollmustern verhaftet bleiben und den Sprung vom besseren Wissen zum Tun (noch) nicht vollzogen haben. Die Beratung Willis Towers Watson bringt die Situation in ihrer aktuellen Global Workforce Study auf den Punkt:

„Deutsche Manager bekommen Bestnoten im Business, aber nicht in Führungskompetenz. Mitarbeiter leisten häufig ‘Dienst nach Vorschrift’. Es mangelt an Inspiration und Kommunikation durch Führungskräfte.“

Wie es ferner um die Führungskultur und das Engagement, sprich die emotionale Bindung der Mitarbeitenden in deutschen Unternehmen steht, wird regelmäßig von Anbietern wie Gallup oder Great place to work ermittelt. Die Studien von Gallup zeigen seit Jahren, dass der Anteil der voll engagierten Mitarbeiter in deutschen Unternehmen um die 15% oszilliert. Genauso groß ist der Anteil der emotional völlig entbundenen Mitarbeiter. Die restlichen 70% zeigen lediglich eine geringe Bindung.

Gallup kalkulierte auf Basis der Studienergebnisse aus dem Jahr 2016, dass mangelnde Führungsqualität die deutsche Wirtschaft über 100 Milliarden Euro kostet – Jahr für Jahr! Vorgesetzte sind die Ursache Nummer 1 für innere Kündigungen der Mitarbeitenden, so die Autoren.

Ergo: es ist noch viel Luft nach oben in Sachen Führung und Unternehmenskultur.

Kultur – Treiber für Wandel sowie operativen und finanziellen Erfolg

Schon vor Jahrzehnten postulierte der amerikanische Managementvordenker Peter Drucker:

„Culture eats strategy for breakfast.“

Die Kultur einer Organisation ist grundlegender Treiber für ihren operativen und finanziellen Erfolg. Tatsächlich bewerten laut einer Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE)  Führungskräfte die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur als das wichtigste HR-Thema, doch hapert es an der Umsetzung der notwendigen Maßnahmen, die vor allem die Bereiche Kommunikation (34%), Führung (26 %) und Veränderungsbereitschaft (25%) betreffen.

Warum an der Unternehmenskultur trotz ihrer elementaren Bedeutung für unternehmerischen Erfolg nicht konsequent gearbeitet wird, mag viele Ursachen haben. Eine davon liegt sicher in dem nebulösen, wenig greifbaren Kulturbegriff, der nur schwer in die faktenbasierte Vorstellungswelt vieler Entscheider vordringt. Denn was man nicht messen kann, kann man auch nicht managen – so die Annahme.

Die gute Nachricht:

Unternehmenskulturen kann man messen – und somit gezielt weiterentwickeln

Denn Kultur ist gebunden an die im Unternehmen gelebten Werte. Und die kann man messen, z.B. anhand der Cultural Transformation Tools (CTT) des Barrett Values Centre. Die Betonung liegt auf „gelebten“ im Gegensatz zu nurmehr „deklarierten“ Werten. Erstere sind stets latent und meist unbewusst, dafür aber äußerst wirkmächtig. Kultur wird daher von Fachleuten gern als der unter der Wasseroberfläche liegende Teil eines Eisbergs beschrieben. Er entspricht ca. 7/8 seiner gesamten Masse. Der Metapher folgend steht die Spitze des Eisbergs für das beobachtbare Verhalten, z.B. wie man führt, miteinander spricht, Entscheidungen fällt, mit Risiken umgeht und Dilemmata löst. Und Kultur ist der tragende Teil all dessen, was im Unternehmen geschieht und wie.

Mit welcher Energie dabei auch Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung mitschwingen, hängt davon ab, ob Werte wie „zukünftige Generationen“ oder „Umweltschutz“ für Entscheider und Mitarbeitende auch persönlich wichtig sind oder ob eher Faktoren wie Kostenkontrolle, Effizienz und Ergebnisorientierung eine Rolle spielen.

Wie in allem gilt auch hier: auf das Gleichgewicht kommt es an. In so genannten full-spectrum Kulturen lebt das „sowohl-als-auch“ und gelebte Werte zahlen auf die Begeisterung der Mitarbeitenden ein.