Nachhaltigkeit ist komplex, und Zusammenhänge liegen nicht immer auf der Hand. Fachbegriffe sind weit verbreitet und wer sich intensiv mit Nachhaltigkeit beschäftigt, weiß, dass man über Begriffsdefinitionen und Standards ausführlich debattieren kann. Auch vermeintlich klare Aussagen wie „Insgesamt leichte Reduktion der CO₂-Intensität in der Stromerzeugung von 0,45 auf 0,43 t CO₂ pro erzeugte MWh; in Europa auf 0,41 t CO₂.„*zeigen, dass man zuweilen vergisst, seine Empfänger mit ins Boot zu holen.

Was helfen die schönsten Nachhaltigkeitsberichte, -broschüren oder Online-Informationen, wenn die Botschaften an ihren Empfängern vorbeigehen? Unternehmen, die viel Wissen, Mühe und Zeit in ihren Nachhaltigkeitsbericht stecken, sind häufig enttäuscht, dass ihre Werke keinen reißenden Absatz finden.

Woran liegt das? Nun zum einen sicher daran, dass Nachhaltigkeitsberichte in der Regel für eine größtmögliche Gruppe an Lesern geschrieben werden. Das ist legitim, geht aber an den meisten Adressaten vorbei. Die Inhalte haben für sie keine persönliche Relevanz – und sind damit schlichtweg uninteressant.

Die eigenen inhaltlichen Ansprüche reduzieren
Hinzu kommt: Nachhaltigkeitsberichte sind üblicherweise sehr umfangreich. 70 oder mehr Seiten sind keine Seltenheit. Die meisten Zielgruppen sind jedoch deutlich überfordert von der Themenbreite und Detailtiefe bzw. haben kein Interesse daran, sich intensiv damit auseinanderzusetzen. Will man sie trotz­dem erreichen, müssen Unternehmen die eigenen Ansprüche an die Inhalte deutlich reduzieren. Sie müssen sich auf das konzentrieren, was für die gewählte Zielgruppe wirklich bedeutsam ist.

–> Unsere grundsätzliche Empfehlung: Reduzieren Sie Ihre eigenen Ansprüche an die Inhalte! Sie sollten nicht alles jedem sagen wollen.

Gezielt, klar verständlich kommunizieren
Bitte den Ruf nach Reduktion nicht falsch verstehen. Die Qualitätsansprüche bleiben gleichermaßen hoch. Vielmehr geht es um weniger, aber Relevantes, das dafür gezielter, klarer und verständlicher an die jeweiligen Adressaten ausgespielt wird.

Somit liegt eine immens wichtige Aufgabe von Nachhaltigkeitsexperten und Unternehmen darin, das Verstehen von Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Dieser Anspruch reicht über den Nachhaltigkeitsbericht hinaus und betrifft die gesamte Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen.

Verstehen von Nachhaltigkeit möglich machen: nicht nur Fakten
Nur wenn es Unternehmen gelingt, die Relevanz einer Nachhaltigkeitsstrategie oder eines Nachhaltigkeitsaspekts für die ausgewählte Zielgruppe zu identifizieren und auf den Punkt zu formulieren, kommt die Botschaft an. Diese verankert sich beim Adressaten, wenn ein Kontext-Verstehen möglich ist. Und dieses – das Wortspiel sei erlaubt – wirkt nachhaltig.

Um einen solchen Kontext zu „erschaffen“, müssen Unternehmen verstehen, dass jeder Mensch auf emotionale Trigger reagiert, die mit seinen Werten verbunden sind. Die gute Nachricht: Es gibt Ansätze, um die „Welt der Emotionen und Werte“ besser zu verstehen, beispielsweise das Modell von Dr. Hans-Georg Häusel (http://www.haeusel.com/limbic_.html).

Wie Häusel ausführt, lässt sich beispielhaft für Bioprodukte feststellen, dass sie einerseits das altruistische Fürsorge- und Balancemotiv „Wunsch nach einer heilen und sicheren Welt“ bedienen und andererseits das egoistische Kontroll- und Reinheitsmotiv „giftfreie Ware“. Informationen können durch eine gezielte Ansprache dieser Motive eine deutliche Wertsteigerung erfahren (s. Häusel, H.-G. 2009: Emotional Boosting, S. 60-61, Haufe).

Folgende Verständlichkeitsbarrieren wollen umschifft werden
Häufig wird die Kommunikation zur Nachhaltigkeit von Experten (gerne von Produkt- oder Nachhaltigkeitsverantwortlichen) gesteuert. Ob ihr Sprachgebrauch für die anvisierten Adressaten jedoch verständlich ist, darf und sollte hinterfragt werden. Erfreulicherweise lässt sich Verständlichkeit heute objektiv messen.

So bestehen auch für die Sprache der Nachhaltigkeit allgemeingültige Verständlichkeitsregeln. Es gilt, vor allem die typischen Verständlichkeitsbarrieren zu umschiffen:

  • Lange Sätze (ein Satz sollte maximal 15 Wörter enthalten)
  • Schachtelsätze (ein Satz sollte nicht mehr als 2 Satzteile beinhalten)
  • Sätze mit hoher Informationsdichte (Idealfall: jede wichtige Information = ein eigener Satz)
  • Lange Wörter (ein Wort sollte nicht mehr als 16 Buchstaben haben)
  • Wort-Zusammensetzungen (Komposita schränken die Verständlichkeit ein. Je kürzer und bekannter ein Wort, umso verständlicher ist es)
  • Passiver Sprachstil (passiv = abstrakt, unpersönlich und distanziert)
  • Abstrakte Substantive (Nominalisierungen verstärken die Abstraktheit eines Textes)
  • Nominalstil (Substantivierungen von Verben = abstrakt, distanziert und bürokratisch)
  • Anglizismen (außer bei gängigen Begriffen, für die es meist keine passende deutsche Ersetzung gibt („Internet“), sollte auf Anglizismen verzichtet werden)

Es gibt dringenden Handlungsbedarf und viel Potenzial auf Seiten der Unternehmen. Wir untersuchen – gemeinsam mit dem Verständlichkeitsinstitut Communication Lab – unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation auf Herz und Nieren in Sachen Verständlichkeit.

Mehr dazu:
https://faehrmannschaft.de/angebote/
http://comlab-ulm.de/home/index.php

* Ausgesuchtes Beispiel aus dem E.ON Nachhaltigkeitsbericht 2014 (Stand 04. Mai 2015)