Nachhaltigkeit steht für Zukunftsfähigkeit? Nur bei überzeugter Führung.

Immer wieder wird die hohe Bedeutung von Leadership betont, damit Unternehmen ihre Erfolgsstory „nachhaltig“ fortschreiben können. Unabhängig von Größe, Rechtsform und Branche gilt: solange Unternehmenslenker keine klaren Signale zur strategischen Valenz von Nachhaltigkeit aussenden und entsprechende Strukturen schaffen, bleiben “CSR-Initiativen” bestenfalls auf taktischer Ebene stecken.

Dabei hat systematisches Nachhaltigkeitsmanagement erwiesenermaßen das Zeug, nicht nur die ökologische und soziale Bilanz von Unternehmen zu drehen, sondern auch mittelfristig deren Ertrags- und Wettbewerbsfähigkeit und infolgedessen den Marktwert zu steigern.

Gerade darum geht es uns. Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen sind überdurchschnittlich oft außerordentlich erfolgreich. Sie werden keinesfalls von Weltverbesserern, sondern von exzellenten Führungspersönlichkeiten gelenkt. Sie zeichnen sich durch einige besondere Eigenschaften aus: sie denken in größeren Zusammenhängen, sind lernfähig, öffnen ihre Unternehmen für Impulse von außen und signalisieren Interesse für relevante gesellschaftliche Themen. Einige Beispiele: Werner Götz von dm Drogeriemärkten, Paul Polman von Unilever, Lars Sorensen von Novo Nordisk.

Dies ist deshalb wichtig, weil Unternehmen in einem Umfeld agieren, das von nie gekannter Unsicherheit und Komplexität, von disruptiven technologischen Entwicklungen, sich immer schneller wandelnden globalen Märkten und alternden Gesellschaften geprägt ist. In einem solche Kontext werden nur Unternehmen überleben, die rasch und flexibel auf Veränderungen reagieren. Oder sogar einen Schritt weitergehen: indem sie nicht nur reagieren, sondern den Wandel mitgestalten. Sie versuchen, schneller zu lernen als der Markt und stellen alle Kräfte dezentral auf Neues und kundenfokussierte Innovation ein. Zuweilen wird dazu auch die Konkurrenz mit an Bord geholt, wie zahlreiche Brancheninitiativen zu Nachhaltigkeit zeigen.

Manch einer mag sagen: “das sind hehre Ansprüche, die Praxis sieht anders aus.” Oder: “Das machen wir längst. Wozu haben wir unsere MaFo, das Controlling, Risikomanagement und Wissensmanagement? Außerdem ist unser Vertrieb ganz dicht am Kunden dran.”

Doch wenn jede Abteilung auf “ihr” Wissen und “ihre” Aufgaben fokussiert bleibt, stecken Manager und Mitarbeiter gedanklich im Silo fest. Jeder, der in einem größeren Unternehmen arbeitet, weiß, wie leicht Abteilungen gegen- statt miteinander arbeiten. Weil das Tagesgeschäft Vorrang hat, weil Abteilungsleiter eigene Ziele verfolgen oder Kooperation nicht belohnt wird. Auch vor diesem Hintergrund mag die nicht enden wollende Diskussion um Individual-Boni plausibel erscheinen.

Welche Denke (um nicht das gewichtige Wort “Kultur” zu verwenden) ist förderlich, damit Unternehmen angesichts der genannten Herausforderungen nachhaltig, also langfristig innovativ sind und sich so entwickeln, dass sie Nutzen für ihre Anteilseigner ebenso wie für Mitarbeiter, Kunden, Partner und die Gesellschaft erbringen?

Zurück zum Anfang: Die Leitplanken für eine nachhaltige Unternehmens-Denke setzt die Führung. Diese ist heute jedoch noch immer weitgehend durch “mentale Konzepte” (vgl. Peter Senge) geprägt, die auf der Annahme von Sicherheit, Stabilität, Plan- und Steuerbarkeit basieren. Was also zeichnet zukunftsorientierte Führung aus? Dazu im folgenden einige Überlegungen, ohne den geringsten Anspruch auf Vollständigkeit.

Neue Bescheidenheit und der Blick fürs Ganze 

Was heute mehr und mehr zählt, ist ein Bewusstsein für unsere begrenzte Fähigkeit, die Zukunft vorauszusagen. Die jüngere Weltgeschichte sollte auch dem letzten Anhänger der klassischen Ökonomie verdeutlicht haben, dass das Konstrukt des homo oeconomicus der Realität in keiner Weise Stand hält.

Unternehmenslenker müssen anerkennen, dass ökologische, ökonomische, soziale und politische Systeme auf vielfältige Weise miteinander verbunden sind, deren komplexe Wechselwirkungen von klassischen Risikomodellen nur zum Teil erfasst werden.

Neben einem gewissen Maß an Bescheidenheit ist also systemisches Denken angesagt. Dazu gehört das Verfolgen langfristiger Megatrends ebenso wie die Bereitschaft zu Dialog und Kooperation mit Stakeholdern, die unterschiedliche, wenn nicht sogar konfliktbehaftete Meinungen und Interessen vertreten.

Wandel oder “Change” sollte nicht mehr als lästiges Übergangsphänomen, sondern als Dauerzustand betrachtet werden. Menschen sind genetisch darauf programmiert, am Status Quo festzuhalten. Daher gilt Wandel in Unternehmen bestenfalls als lästig, schlimmstenfalls macht er Angst. Der Führung obliegt die Aufgabe, Veränderung als Teil der Normalität zu etablieren. Denn was ist die Alternative zu nachhaltigem Wandel? Angst müssten im Grunde genommen jene haben, die in starren Unternehmen beschäftigt sind…

Klima für Innovationsfreude

Das Vorausdenken vieler möglicher Zukunftsszenarien anstelle der einen Zukunft verschiebt den Fokus von optimierten Strukturen und Prozessen hin zu organisationaler Resilienz. Wo erstere noch immer von Beherrschbarkeit und zentraler, kaskadenförmiger Planbarkeit ausgeht, impliziert letzere organisatorisches Lernen in flexiblen dezentralen Einheiten. Natürlich wird die Sinnhaftigkeit von Planung nicht generell infrage gestellt, doch in einem unsicheren und komplexen Umfeld sind Lernen und Experimentieren die Überlebensgrundlage von Unternehmen.

Kreativität und Innovation können sich jedoch nur durch entsprechende Freiräume und ein fehlertolerantes Klima entfalten. Wenn jedoch bei auftretenden Fehlern Schuldige gesucht und abgestraft werden, wird niemand bereit sein, auch nur das geringste Risiko einzugehen. Jeder duckt sich, Experimentierfreude und Innovationskraft werden im Keim erstickt.

Zukunftsorientierte Führung schafft Abhilfe durch sichere Räume für schnelles, risikoarmes Prototypen. Ansätze wie Design Thinking, Agile, Scrum sind sicher keine Allheilmittel, bieten jedoch Tools, die sich für kreatives Arbeiten in den genannten Freiräumen eignen.

Weiterhin gilt: das Einbeziehen interner wie externer Stakeholder kann enorme Potenziale freisetzen. Erfahrene Nachhaltigkeitsmanager sprechen daher längst nicht mehr von Stakeholder- sondern von Partnermanagement. Wohl wissend, dass Worte Realitäten schaffen. Oder wie Marshall Rosenberg, der Erschaffer der gewaltfreien Kommunikation, zu sagen pflegte: Worte sind wie Fenster – oder wie Mauern.

Zuhören und Unterschiede wertschätzen

Die stärkere organische Vernetzung von Unternehmen mit ihrem Umfeld sichert ihre gesellschaftliche Lizenz, zugleich profitieren sie von höherer Innovationskraft. Auch intern gewinnen vielfältige Perspektiven und unterschiedliche Meinungen eine höhere Bedeutung. Zumindest in Anfängen.

Wenn jedoch Unternehmen von Managementteams geleitet werden, deren Mitglieder aus ein und demselben Kulturraum stammen, ähnliche Fächer studiert haben (meist Wirtschafts, Ingenieurs- oder Naturwissenschaften), ähnliche Überzeugungen und Weltansichten teilen und sich darin gegenseitig bestärken, so führt dies zwangsläufig zu Monokultur. Sie mag eine der Ursachen für die allgemein wenig ausgeprägte Ambiguitätstoleranz in deutschen Leitungsgremien sein. Recht haben und andere argumentativ zu “über-reden” gilt nach wie vor als Ausdruck einer Gewinnerattitude. Dazu passt, dass die Fähigkeit zu aufmerksamem Zuhören und eine Haltung, die “sowohl-als-auch” zulässt, noch immer als Ausdruck von Schwäche etikettiert wird.

Dabei belegen zahlreiche Studien, dass erst eine lebhafte Diskussions- und Feedbackkultur innerhalb von Unternehmen die dringend notwendigen Lernimpulse liefert. Wir schlagen vor, Diversität ist in diesem Zusammenhang als kognitive Vielfalt zu sehen und damit in einem viel weiteren Sinn als das meist auf Gender, Generationen und Herkunft beschränkte Diversitätsmanagement.

Leaders formen Leaders

Seit jeher sehen sich Menschen in Zeiten hoher Unsicherheit nach Figuren, die wissen, welcher Weg einzuschlagen ist.

Heute ist genau das Gegenteil vonnöten: kollektive Intelligenz. Denn gerade wenn die Dinge komplizierter und undurchschaubarer werden, kommt es darauf an, alle Köpfe im Unternehmen auf Erneuerung, Mitdenken und Teilen von Informationen und Wissen auszurichten. Zukunftsorientierte Führung befähigt und aktiviert engagierte Mitarbeiter durch gezieltes Coaching und Mentoring. Sie agiert in einer tendenziell moderierenden Rolle und delegiert dabei Kompetenzen, nicht jedoch Verantwortung. Was für ein ketzerischer Gedanke…

Demnächst in diesem Blog: Ein weltweit anerkanntes Framework für Führung und Hochleistungskultur.