Ob BIP, BSP oder HDI, sie alle verfolgen das Ziel wirtschaftliche und/oder menschliche Entwicklungen messbar zu machen, um Veränderungen zu erfassen. Dabei ist Wachstum ein etablierter Schlüsselindikator. Viel zu kurz gegriffen, meinen seit langem bereits Viele. Und zu denen gehören auch wir. Nun kommt der Vorstoß sowohl das Wohl der Menschen als auch das Wohl des Planeten einzubeziehen.

Die bekannten Größen wie Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Bruttosozialprodukt (BSP) lassen aussagekräftige soziale Faktoren unberücksichtigt. Eine belastbare Aussagekraft in Bezug auf reale Lebensbedingungen – die vielfach unzureichend sind – fehlt. Wie wenig uns solche Messsysteme bringen, wurde nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie offenbar. Fakt ist, dass die Krise den Ländern dieser Erde auf allen Ebenen viel abverlangt. Fakt ist aber auch, dass das Ausmaß bisher nur erahnt werden kann. Wie also können wir Entwicklungs-Prognosen – nicht nur in Bezug auf Corona – adäquater erfassen und vergleichen?

Wir alle kennen den Human Development Index (HDI)* zu Messung der menschlichen Entwicklung und das dazugehörige Länder-Ranking. Auch in 2020 bekommen wir durch den aktuellen Bericht ein globales Bild. Neu ist, dass man an der Aussagekraft des HDI geschraubt hat: So sollen Faktoren wie Ressourcenverbrauch, CO2- Emissionen, Stickstoffeinsatz etc. (kurz „planetare Belastungen“) die etablierten ökonomischen und sozialen Werte um eine weitere Perspektive bereichern. Es entsteht ein neues globales Bild, das eine klarere Einschätzung des menschlichen Fortschritts ermöglicht. Geboren ist der PHDI (Planetary pressures–adjusted HDI).

Und nun zeigt sich das in aller Deutlichkeit, was nicht nur sustainable professionals längst auf dem Schirm haben:

„Ein Fortschritt auf Kosten der Umwelt,
ist kein Fortschritt!“

Wirft man unter der erweiterten – ehrlicheren – Perspektive des PHDI einen Blick auf die Rangliste, so gibt es einige Verschiebungen.

Norwegen, bisher Dauerspitzenreiter im UNDP-Ranking, stürzt von Platz 1 auf Platz 16. Grund hierfür ist die maßgebliche Nutzung der Erdölindustrie, auf der der hohe Entwicklungsstand des Landes beruht. Die USA rutscht von Rang 17 auf 62. Australien verliert dank seiner Kohleförderung gleich 72 Plätze und findet sich nach Bereinigung auf Platz 80 wieder. Hingegen springen Länder mit deutlich niedrigerem Rohstoffverbrauch und CO2-Austoß pro Kopf wie Sri Lanka, Peru oder Costa Rica nach vorne im Ranking.

Deutschland hat erstaunlich gut abgeschnitten in der bereinigten Liste und ist nur einen Platz auf Rang 7 gerutscht. Die Schweiz bleibt weiterhin auf Platz 2.

Und schon werden kritische Stimmen laut. Für sie ist im PHDI die Liste der „planetaren Belastungen“ noch lange nicht vollständig erfasst. Wir sind der Meinung, dass der PHDI ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist. Doch es ist noch Luft nach oben. So werden beispielsweise tausende Tonnen von Plastikmüll und Elektroschrott, der in sog. Drittländer verschifft und „entsorgt“ wird, CO2-Emmissionen bei der Produktion von Smartphones in China sowie Umweltschäden und Krankheiten im Leben von Näherinnen für Billig-Kleidung, bislang noch nicht übergreifend berücksichtigt. Und doch:

„Der PHDI ist auch ein Mindshift.
Er koppelt das
Wohlergehen der Menschen an das Wohlergehen des Planeten.
Anders wird es nicht gehen!“

In diesem Sinne sollten wir die klaren Botschaften des HDR 2020 nutzen und anerkennen, dass es bei der menschlichen Entwicklung von nun an darum geht, Entscheidungen zu treffen, die gut für Menschen und den Planeten sind. Wir sind bereit unseren Beitrag zu leisten!

*Über den Human Development Report (HDR): Ziel des HDR ist es Ungleichheiten in der menschlichen Entwicklung im 21. Jahrhundert aufzuzeigen. Zentraler Bestandteil des Berichts ist der Human Development Index (HDI). Für die Berechnung werden wirtschaftliche und soziale Indikatoren wie das Pro-Kopf-Einkommen, Bildungsstand und Lebenserwartung der Bevölkerung herangezogen. Der UN-Index hat sich bislang ähnlich wie die BIPs und BSPs verhalten: die reichsten Länder aus dem globalen Norden fanden sich auf den ersten Rängen wieder.

Hier geht es zum HDI-Bericht 2020 des UNDP.

Quellen:

http://hdr.undp.org/sites/default/files/2020_phdi.pdf

http://hdr.undp.org/sites/default/files/hdr2020.pdf

http://report.hdr.undp.org/part-3.html