Ein Interview mit Grafikerin und Modedesignerin Simone Graber (Luxusbaba)

Wir leben in visuellen Zeiten. Dies gilt für unseren modernen Umgang mit Sprache und weit über diese hinaus für Design. Was nicht emotional anspricht, wird nicht gekauft. Egal, ob Argumente oder Klamotten. Nachhaltigkeitsorientierte Designer übernehmen Verantwortung für Art und Inhalt ihrer Kreationen. Dabei verfügen sie über einen großen Hebel, Gutes zu bewirken: Indem sie die Weichen für nachhaltige Kaufentscheidungen stellen.

Wir beim Fährmann agieren viel an der Schnittstelle von Kommunikation und Inhalten, und Design spielt eine zunehmend große Rolle. Design ist dabei weit mehr als eine hübsche Verpackung, die am Ende ein hübsches Schleifchen um tolle Inhalte wickelt. Das weiß auch Simone Graber, mit der sich Meike Frese unterhalten hat.

„Beim Entwerfen kann ich mich von zwei Seiten  herantasten: Entweder ich denke zuerst an die Nachhaltigkeit, und dann schaue ich, wie ich das umsetze, damit das Ergebnis stylish aussieht. Oder aber ich mache ganz frei einen Entwurf und überlege dann, wie sich das nach ökologischen Prinzipien produzieren lässt.“

Simone Graber

Meike: Simone, du arbeitest seit 2004 als freischaffende Grafikerin und Modedesignerin. Du machst Illustration und Typografie, CI- und Logoentwicklung, du hast für nachhaltige Modelabel wie Thokkthokk designt und mit Luxusbaba dein eigenes Modelabel für Kleidung aus recycelten Materialien kreiert. Wie ist es dazu gekommen, dass du beschlossen hast, Nachhaltigkeit und Design zusammenzuführen?

Simone: Ich habe als Kind noch die Ökobewegung der 80er Jahre mitbekommen (Tschernobyl, Ozonloch, Waldsterben, usw.) und ich glaube, das hat mich ziemlich beeindruckt und geprägt. Seitdem begleitet mich das Thema Nachhaltigkeit und auch die Frage, was ich als Einzelperson dazu beitragen kann, dass sich etwas verändert. Die Sache mit dem Design kam durch meine kreative Ader und späteren Ausbildungen dann dazu. Die beiden Themen zu verbinden war kein Entschluss, den ich irgendwann einmal gefällt habe, sondern es ist vielmehr unmöglich für mich, Nachhaltigkeit aus irgendeinem Bereich meines Lebens auszuklammern.

Meike: Du tust beides: Du sorgst einerseits dafür, dass nachhaltige Produkte und die Kommunikation dazu ansprechend sind. Und du designst Produkte von ihren Materialien her so, dass sie nachhaltig sind. Wie fängt ein kreativer Prozess bei dir an?

Simone:  Da muss ich trennen zwischen der kreativen Arbeit, die ich für Andere im Auftrag mache und meiner eigenen. Im ersteren Fall beginnt das Ganze mit Fragen: Ich möchte zuerst herausfinden, was mein/e Auftraggeber/in braucht, was für Wünsche und Vorstellungen da sind, was für eine Basis es bereits gibt usw. Wenn alles gut läuft, entstehen in so einem Gespräch schon die ersten Ideen. Ich habe immer ein Skizzenbuch dabei und schreibe und zeichne mit…

Bei meinen eigenen Sachen kommen die Ideen angeflogen und landen in meiner Vorstellung. Da drehe und wende ich sie meist ein bisschen und wenn sie greifbarer sind, dann skizziere ich sie auf. Ich träume sogar relativ oft von Designs…

„Nachhaltigkeit und gutes Design ist kein Widerspruch. Es ist mir ein Rätsel, warum das so fest in den Köpfen der Menschen drinsteckt, wo es doch massenhaft grottenschlechtes, nicht nachhaltiges Design gibt.“

Simone Graber

Meike: In deiner langjährigen Arbeit, wo siehst du die größten Hürden bezüglich nachhaltigem Design? Wo liegen Steine im Weg?

Simone: Nachhaltige Lösungen brauchen meistens mehr Zeit. Wir müssen in diesem Bereich ja häufig zusätzlich noch Entwicklungsarbeit leisten. Damit meine ich unter Anderem die Suche nach umweltverträglichen Materialien, nachhaltig arbeitenden Produktionsstätten, das Finden von ressourcenschonenden Lösungen, Aufklärungsarbeit… Das passt nicht in unsere Zeit, wo alles schnell und effizient sein muss und die Bereitschaft, Geld auszugeben, sich auf andere Dinge konzentriert.

Meike: Wenn du dir etwas wünschen könntest in Bezug auf nachhaltiges Design, was wäre es? Und woran ist das deiner Einschätzung nach bislang gescheitert? An dem fehlenden Mut von Unternehmen? An der geringen Nachfrage seitens der Verbraucher? An fehlender Sichtbarkeit existierender Lösungen? Ganz was Anderem?

Simone: Ich würde mir wünschen, dass sich in unserer Gesellschaft die Wertschätzung verändert. Das betrifft dann nicht nur nachhaltiges Design, sondern alle möglichen Lebensbereiche. Ein spontanes Beispiel: Warum sind viele Menschen nicht bereit, für gute Lebensmittel oder in Deutschland hergestellte Produkte mehr Geld auszugeben? Im Gegensatz dazu wird bei Handys überhaupt nicht überlegt, ob man sich das neue iPhone für Hunderte von Euros zulegen soll (obwohl man bereits ein funktionierendes Handy besitzt)?

„Mich nervt das ganze Friede-Freude-Eierkuchen-wir-haben-uns-alle-lieb-Blabla auf Verpackungen/Plakaten/Broschüren. Warum gibt es z.B. immer noch keinen Pflanzendrink in der Pfandflasche? Stattdessen steht auf der Packung eines Bio-Haferdrinks (der natürlich mit ganz viel Liebe gemacht ist), wie nachhaltig dieser Tetra Pak ist, weil der Kunststoff des Deckels aus Zuckerrohr hergestellt wurde. Da kriege ich echt die Krise….“

Simone Graber

Meike: Ich erlebe es oft in der Zusammenarbeit mit Kunden, dass immer noch ein antiquiertes Verständnis von Kommunikation vorherrscht: Kommunikation kommt am Ende, wenn die Inhalte stehen. Dann redet wer mit schönen Worten drüber. Dabei wissen wir: Kommunikation ermöglicht erst Sinnstiftung und Inhalte. Kommunikation ist am Anfang, mittendrin und am Ende. Gleiches gilt für nichtsprachliches Design wie Kleidung. Man kann nicht nicht kommunizieren, sei es mit Worten oder mit der Art, wie man sich anzieht. Was sind deine Erfahrungen? Wo im Entwicklungsprozess denkt man an einen Designer?

Simone: Stimmt. Darum heißt mein absolvierter Studiengang auch Kommunikationsdesign! Und: ja, ich erlebe auch, dass die weitläufige Vorstellung von Design ist, irgendetwas hübsch zu machen. Aus diesem Grund schalten die Kunden den Designer oft erst ein, wenn dann schnell irgendein sichtbares Ergebnis her muss. Und dann bleibt keine Zeit mehr für Kommunikation, Entwicklung, Denken, Botschaften, Ausprobieren, Verknüpfungen, Wirkung, Überprüfung – gutes Design eben…

„Und: ja, ich erlebe auch, dass die weitläufige Vorstellung von Design ist, irgendetwas hübsch zu machen. Aus diesem Grund schalten die Kunden den Designer oft erst ein, wenn dann schnell irgendein sichtbares Ergebnis her muss.“

Simone Graber

Meike: Zu deinen Kunden, die deine Mode kaufen: Was ist denen besonders wichtig? Wird aus deiner Erfahrung nachhaltige Mode gekauft, weil sie ethisch akzeptabel produziert wurde oder weil das Design umwerfend ist und zum Kauf verleitet? Und wie setzt du deine Prioritäten, wenn du Mode entwirfst? 

Simone: Kauft jemand ein Kleidungsstück, das ihr/ihm nicht gefällt, nur weil es nachhaltig ist? Wohl kaum. Klar muss es zusätzlich fancy aussehen! Beim Entwerfen kann ich mich von zwei Seiten an die Sache herantasten: entweder ich denke zuerst an die Nachhaltigkeit (z.B. ein Kleidungsstück zu entwickeln, das keinen Verschnitt hat) und dann schaue ich, wie ich das umsetze, damit das Ergebnis stylish aussieht. Oder aber ich mache erst ganz frei einen Entwurf und überlege dann, wie sich das nach ökologischen Prinzipien produzieren lässt. Am Ende ist es meiner Erfahrung nach für die Kund/innen am überzeugendsten, wenn ein Produkt insgesamt stimmig ist und man das, was dahintersteckt, greifbar kommunizieren kann.