Der folgende Beitrag basiert auf einem Vortrag, den wir Ende November beim AMC-Forum der deutschen Versicherer in Köln gehalten haben. Der Inhalt wurde für das Blogformat adaptiert.

Vielleicht kennen Sie die Geschichte von den zwei Kaufleuten, die um 1900 von England nach Afrika fuhren. Sie sollten nach Möglichkeiten suchen, dort Schuhe zu verkaufen. Beide schickten ein Telegramm nach Hause. Der eine schrieb: “Situation hoffnungslos. Stop. Hier trägt niemand Schuhe. Stop.” Der andere schrieb: “Großartige Gelegenheiten. Stop. Hier hat noch niemand Schuhe. Stop.”

Mit der Nachhaltigkeit ist es ähnlich: Viele haben sich ein wenig damit beschäftigt, aber noch immer verstehen die wenigsten wirklich die Chancen, die damit verbunden sind.

Eine der großen Chancen liegt darin, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. Denn Vertrauen ist die Basis allen Erfolgs. Etliche Studien belegen: Viele Kunden vertrauen Unternehmen mehr, wenn diese Rücksicht nehmen auf Mensch und Natur, d.h. Unternehmen, die glaubhaft gesellschaftliche Verantwortung tragen.

Daher orientieren sich immer mehr Leute an Nachhaltigkeit. Vor allem die so genannten „kritischen Konsumenten”. Das sind i.d.R. selbstbewusste Gutverdienende, die wissen wollen, wo Produkte hergestellt werden und unter welchen Bedingungen. Die auch wissen wollen, wo ihr Geld angelegt wird und was das bewirkt.

Eine zeb-Studie zeigte bereits 2012, dass es in Deutschland 16 Millionen potenzielle Kunden für grün und sozial ausgerichtete Bankdienstleistungen gibt. Doch die Banken erreichen bislang gerade mal 300.000 von ihnen, also keine 2%.

Wenn diese Kunden einen Anbieter finden, der ein attraktives Produkt zu einem angemessenen (nicht billigen!) Preis bietet und der zugleich unter Beweis stellt, dass er Verantwortung für Mensch und Umwelt trägt, dann kommen diese Kunden gern an Bord. Warum? Weil sie dem Unternehmen mehr vertrauen – und sich ihm verbunden fühlen!

Wie äußert sich Vertrauen?

Vertrauen drückt ein zutiefst menschliches Bedürfnis nach innerer Verbindung aus. Wenn ich einem anderen vertraue, bin ich bereit, mich verletzlich zu zeigen und Risiken einzugehen. Indem ich mich auf ihn verlasse.

Simon Sinek hat einmal ein treffliches Beispiel dazu beschrieben. Bei einem TED Talk mit dem Titel „Belief and Trust“ forderte er die Anwesenden auf, sich folgende Situation vorzustellen: “Sie haben eine Einladung zu einem sehr wichtigen Abendessen. Der Babysitter Ihrer vierjährigen Tochter ist krank, Sie brauchen also jemanden, der rasch einspringt.

Zur Auswahl stehen zwei Personen: die 16-jährige Tochter aus der Nachbarsfamilie, die noch keinerlei Erfahrung im Babysitting hat und eine 32-jährige, die gerade neu in Ihre Gegend gezogen ist und die sagt, dass sie über 10 Jahre Erfahrung im Babysitting hat.

Wem würden Sie Ihr Kind anvertrauen? Die meisten wählen die 16-jährige. Die kennen Sie. Sie kennen die Familie – und Sie gehen davon aus, dass sie sich trotz aller Unerfahrenheit verlässlich zeigen wird. Weil sie eine innere Verbindung zueinander haben.”

An dieser Stelle möchten wir mit einigen Mythen zu “Vertrauen und Nachhaltigkeit” aufräumen.

Wussten sie, dass jeder einzelne Verbraucher, der gelegentlich neue Kleidung kauft, ein eigenes Smartphone besitzt und Auto fährt, 60 Sklaven in der Welt beschäftigt? Und mit hoher Wahrscheinlichkeit sind eine ganze Menge Kinder darunter. Anschaulich nachzulesen bei Prof. Evi Hartmann, Wirtschaftsingenieurin aus Nürnberg und Spezialistin für globale Lieferketten.

Damit möchte ich Mythos Nr. 1 lüften, der da heißt: “Nachhaltigkeit betrifft mich nicht.” Nachhaltigkeit betrifft jeden. Ob wir es wissen (wollen) oder nicht.

Bei Mythos Nr. 2 geht es um Vertrauen. Er lautet: “Vertrauen ist langsam”  

Falsch. Vertrauen ist eine soziale Währung. Wenn wir vertrauen, dann entscheiden wir schneller. Wir fragen nicht lange nach. Wir müssen auch nicht jedes Detail kennen. Wir kaufen unbesehen, weil wir darauf zählen, dass alles gut ist.

Kürzlich ging unsere Waschmaschine kaputt und war nicht mehr zu reparieren. Eine neue Waschmaschine musste her – und zwar innerhalb von 24 Stunden. Natürlich sollte es nicht irgendeine sein. Sie sollte:

  • technologisch auf neuestem Stand sein
  • unsere Sachen gründlich und schonend waschen
  • möglichst wenig Strom und Wasser verbrauchen
  • lange halten
  • von einem Unternehmen sein, das die Umwelt respektiert und fair mit Mitarbeitenden und Lieferanten umgeht

Was haben wir wohl bestellt? Unbesehen. Eine Miele, logisch. Miele steht für Langlebigkeit und Nachhaltigkeit par excellence. Die machen einfach alles richtig – und setzen immer noch einen drauf. Darauf vertrauen wir.

Genau deshalb zahlen treue Kunden auch einen bis zu doppelten Preis für „eine Miele“. Das Unternehmen ist seit Jahren Nr. 1 beim Kundenvertrauen. Und verfolgt nebenbei gesagt seit über 10 Jahren eine ambitionierte Nachhaltigkeits-Agenda. Das tut der Mittelständler aus eigenem Antrieb. Miele erfüllt Kundenwünsche bis ins letzte Detail – und geht zugleich verantwortlich um mit Mitarbeitern, Lieferanten und der Umwelt. Auf diese Weise hält das Unternehmen die eigene Erfolgsspirale in Bewegung.

Also: Vertrauen ist langsam? Mitnichten. Vertrauen, das ist der Turbo jeder Kaufentscheidung. 

Mythos Nr. 3: “Vertrauen verkauft sich nicht.”

Markenexperten sprechen zuweilen von Wir-Marken. Das sind Marken, die uns berühren, weil sie eine Haltung verkörpern, die unseren Werten entsprechen.

Haltung äußert sich vor allem in Entscheidungen, die Zeichen setzen.

Beispiel Apple. Zu Apple wurde schon alles gesagt: Design, Innovation, User experience, alles schon 100 mal gehört. Aber kürzlich hat sich das Unternehmen wieder als Vorreiter positioniert – nur diesmal anders: denn Apple sagt tschüss zum Bergbau!

Wie das? Nehmen wir das Beispiel Kobalt. In jeder Handybatterie stecken ca. 6 Gramm Kobalt, das entspricht ungefähr der Menge eines Teelöffels. Eigentlich nicht viel. Aber wenn man bedenkt, dass allein in 2015 1,3 Milliarden Smartphones weltweit verkauft wurden…

Und woher kommt das Kobalt? Über 50% der weltweiten Fördermengen kommt aus dem Kongo. Dort schuften in unzähligen privaten Kobaltminen Kinder unter Bedingungen, die wir uns nicht vorstellen wollen. Zwangsarbeit für einen Hungerlohn, jeden Tag 12-15 Stunden.

Das Thema geht seit Jahren durch die Medien. Ein riesiges Reputationsproblem für Firmen wie Apple, Samsung, etc. Die sagen, sie wollen Verantwortung übernehmen. Zugleich ist es jedoch sehr schwer, die Herkunft des Materials nachzuverfolgen. Schon gar nicht bis in die letzte privat oder gar illegal betriebene Mine im Kongo. Das leuchtet ein.

Hinzu kommen tendenziell steigende Preise. Denn auch die Batterien von Elektroautos brauchen Kobalt, und zwar in weitaus höheren Mengen (ca. einen Eimer voll pro Batterie).

2017 hat Apple die Reißleine gezogen und sich zu 100% Recycling aller in seinen Produkten eingesetzten Materialien verpflichtet, Kobalt inklusive. Das ist zwar mit enormen Herausforderungen verbunden und wird Jahre Zeit brauchen. Aber man nimmt es Apple ab, hier smarte Lösungen zu finden. Auch weil Lisa Jackson, die ehemalige Direktorin der US-Umweltbehörde EPA, mit dem Projekt betraut ist. Schon 2013 holte Tim Cook sie als Verantwortliche für ökologische Nachhaltigkeit ins Unternehmen. Eine Entscheidung, die die Glaubwürdigkeit von Apple’s Umweltengagement deutlich untermauert hat.

Auch wenn diese Verpflichtung sicher auch wirtschaftlichen Interessen geschuldet ist, so zeigt der Hersteller doch Haltung, indem er Nachhaltigkeit in sein Markenversprechens integriert. Und damit auch andere Hersteller unter Zugzwang setzt.

Das wird schon jetzt belohnt, und zwar von unerwarteter Stelle: In ihrem aktuellen Report zu “Green Electronics” hat die Umweltorganisation Greenpeace das Nachhaltigkeits-Engagement von Apple ausdrücklich gewürdigt. In dem Ranking folgt Apple gleich auf Fairphone, dem kleinen Nischenanbieter aus Holland, der ganz auf transparente Lieferketten und reparierbare Handies spezialisiert ist.

Als kritische Konsumentin spiele ich schon eine ganze Weile mit dem Gedanken, als nächstes auf ein Fairphone umzusteigen. Wenn jedoch deren Lieferengpässe weiter anhalten, werde ich mich wohl wieder für ein Apple entscheiden. Dann aber mit einem deutlich besseren Gewissen.

Damit stehe ich sicher nicht allein. So profitiert Apple vom Business Case der Nachhaltigkeit und schafft Mehrwert: ökologisch, sozial und wirtschaftlich.

Mythos Nr. 4: “Vertrauen hat man oder hat man nicht.”

Vertrauen in das eigene Unternehmen kann man hegen und pflegen. Man kann es aber auch lassen. Muss dann aber die entsprechenden Konsequenzen tragen.

Wie Schlecker: Das Unternehmen Schlecker ist seit 5 Jahren tot. Niemand vermisst die kalten Geschäfte, in denen eigentlich immer frostige Stimmung herrschte. Frostig aus gutem Grund, wie wir heute wissen. Die Folge: Immer mehr Kunden entzogen dem Unternehmen ihr Vertrauen.

Heute ist das Unternehmen dm der unangefochtene Branchenprimus. Der genau das Gegenteil dessen verkörpert, was Schlecker war: dm lebt eine Vertrauenskultur, das spürt man sofort, wenn man die Mitarbeiter beobachtet. Die Läden sind offen und hell, es gibt Bio-Eigenmarken zu absolut fairen Preisen. Menschlichkeit und Umweltbewußtsein treffen auf ein attraktives Angebot. Man kauft dort einfach gern ein.

Und das zahlt sich aus: dm wächst seit Jahren schneler als der Markt und hat in 2017 erstmals die 10 Milliarden Euro Umsatzmarke überschritten.

Auch das Versicherungsunternehmen AXA setzt sich vielfältig für Mensch und Umwelt ein. Und verdient damit unser Vertrauen. Axa ging 2015 voran beim Ausstieg der Eigenanlagen aus Unternehmen, die mehr als die Hälfte ihrer Wertschöpfung mit Kohle erwirtschaften. Der Grund: Kohle ist ein besonders klimaschädigender fossiler Brennstoff.

Jüngst hat Axa wieder Zeichen gesetzt. Sie hat angekündigt, keine Risiken mehr im Zuge der Kohleförderung und –verbrennung zu versichern. Andere Versicherer vor allem aus der Schweiz ziehen jetzt nach.

Bleibt zu hoffen, dass die gesamte Branche dem Beispiel folgt und künftig deutlicher Haltung zeigt – auch im eigenen Interesse, denn alle Versicherer sind direkt oder indirekt von Schäden durch Klimaphänomene betroffen.

Abschließend können wir als feststellen: Unternehmen, die Haltung zeigen, verdienen unser Vertrauen:

  1. weil sie wissen: Nachhaltigkeit betrifft uns alle
  2. weil sie fair und verantwortlich mit Mensch und Natur umgehen
  3. weil sie tun was sie sagen und umgekehrt
  4. und damit langfristig ihren eigenen Erfolg stützen.

Zurück zu den zwei Kaufleuten in Afrika. Gelegenheiten sind da, wo wir sie sehen wollen. Wir als Nachhaltigkeitsberater sehen diese Gelegenheiten jeden Tag, in unterschiedlichsten Branchen und Unternehmen, im In- und Ausland.

Man muss nur den ersten Schritt machen und sich auf die Reise begeben!