Inhalt und Form gehören zusammen. Beim Fährmann agieren wir oft an der Schnittstelle von Content und „Verpackung“. Dabei kooperieren wir mit Freude mit Grafikern und Designern, die einen wesentlichen und leidenschaftlichen Beitrag dazu leisten, wie wir Inhalte wahrnehmen.

Hier nun Teil 2 unserer Interviewreihe zu Nachhaltigkeit und Design.

Im Gespräch Geschäftsführerin Meike Frese mit Julia Ochsenhirt.

Meike: Du hast an der Folkwang Universität der Künste Kommunikationsdesign auf Diplom studiert und dann bei Strichpunkt hauptsächlich für Kunden aus dem kulturellen Bereich gearbeitet. Seit 2015 bist du selbständige Art Direktorin und Illlustratorin. Dabei arbeitest du sowohl für Agenturen als auch eigene Kunden und bist Mitglied im Art Directors Club Deutschland.

Ein Vollprofi also. Wie definierst denn du „Design“ eigentlich? Wir haben ja alle so unsere Privatdefinition…

Julia: Design sehe ich als visuelle Kommunikation, die in der Lage ist, Identitäten zu schaffen und Brücken zu bauen. In Abgrenzung zur Kunst hat man dabei als Designer Auftraggeber, die man unterstützt, eine kommunikative Aufgabenstellung zu lösen.

Gutes Design sollte sowohl im Entstehungsprozess als auch als fertiges Produkt Spaß machen und im besten Sinne damit Menschen berühren. Ich glaube an die überzeugende Kraft von Design und Ästhetik.

„Design ist wichtig, den ökologischen oder ökonomischen Transformations-Prozess, den wir als Gesellschaft durchmachen müssen, zu unterstützen und mitzutragen. Intelligentes Design trägt dabei Verantwortung; zeigt Haltung.“

Julia Ochsenhirt

 

Meike: „The Future of Design“ ist ein Schlagwort, dem man öfter begegnet. Inwiefern beobachtest du, dass Design in den letzten Jahren wichtiger geworden ist? Für wen? In welchen Bereichen? Und wohin geht die Reise?

Julia: Aus meiner Sicht hat Design in den letzten Jahren bei vielen Menschen an Bedeutung gewonnen, nicht zuletzt durch die neuen Medien, die den Zugang zu Design erleichtern. Es gibt insgesamt ein größeres Bewusstsein für gutes Design. Berühmte Marken sorgen dafür, dass Design das eigene Image definiert und gesellschaftlich positioniert.

Gleichzeitig beobachte ich aber auch, dass Design austauschbarer wird. Gerade im digitalen Bereich erhält man den Eindruck, dass es eine klare Definition von »gutem Design« gibt. Man sieht immer mehr ähnliche Illlustrationsstile und Layouts, deren Standard zweifellos hoch ist. Aber ich würde mir doch wünschen, dass es etwas experimenteller würde.

Meike: Gibt es für dich Aspekte, die du dir stärker beleuchtet wünschst in Sachen Design? Was kommt nach wie vor zu kurz? Welche Einstellung hindern Kunden z.B. noch daran, das volle Potenzial von Design anzunehmen? Fehlt es an Mut? An Verständnis?

„Die Entwicklung eines guten Designs ist ein komplexer Vorgang. Dafür braucht man Weitsicht und vor allem Mut.“

Julia Ochsenhirt

Julia: Ich denke, dass es häufig eine Mischung aus vielen Aspekten ist. Einerseits muss der Kunden überhaupt ein Bewusstsein und Grundverständnis für gutes Design haben. Gleichzeitig bedarf es auch der Offenheit, sich auf Neues einlassen zu wollen. Als Designer hingegen muss man es schaffen, sich in die teilweise sehr komplexen Vorgänge bei technischen oder betriebswirtschaftlichen Vorgängen einzuarbeiten, um auf Augenhöhe mit dem Kunden kommunizieren zu können.

Daher ist die Entwicklung eines guten Designs ein schwieriger Prozess. Und manchmal führen gerade die ungesehenen Wege zu neuen dankbaren Potenzialen. Dafür braucht man Weitsicht und vor allem Mut. Wichtig ist meiner Ansicht nach, dass der / die DesignerIn prozessorientiert mitwirkt. Das heißt, dass er / sie schon in der Entwicklungsphase – also ganz am Anfang mit einbezogen werden sollte.

Meike: Über die Verbindung von Design und Nachhaltigkeit wird wenig und oft abfällig gesprochen, was ich persönlich nicht als zeitgemäß empfinde. Da heißt es oft noch, dass gutes Design versucht, inhaltliche Mängel zu vertuschen, also Design als Mittel zum Greenwashing. Begegnen dir solche Einstellungen?

Julia: Ja durchaus! Und ich kann sie auch teilweise nachvollziehen gerade im Bereich des Packaging Designs. In Supermärkten wird einem manchmal mit dem Kauf eines Produktes ein nachhaltigerer Umgang mit der Umwelt suggeriert, der bei näherer Sicht doch etwas fragwürdig scheint.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch die vielen wichtigen Projekte, die den Weg in die richtige Richtung aufzeigen (z. Bsp. Unverpackt-Läden) und die auch gerade durch ihr schönes Design im Laden und auf den Verpackungen bestechen.

Grundsätzlich denke ich, dass Design wichtig ist, den ökologischen oder ökonomischen Transformations-Prozess, den wir als Gesellschaft durchmachen müssen, zu unterstützen und mitzutragen. Intelligentes Design trägt dabei Verantwortung; zeigt Haltung.

Meike: Nachhaltigkeit für eine Branche/ein Gewerk heißt nicht nur, was der jeweilige Bereich für Nachhaltigkeit tun kann, z.B. IT-Lösungen für Nachhaltigkeit in digitalen Zeiten. Sondern es heißt auch: Was sind meine eigenen Baustellen und blinden Flecken? Welche Gefahren birgt z.B. Digitalisierung aus Nachhaltigkeitssicht? Wie schätzt du das für die Design-Branche ein? In einer ethisch funktionierenden, ökologisch-intakten Welt, gibt es Grenzen für Design? Ab wann wird es gefährlich?

„Die Grenzen für das Design beginnen immer dann, wenn dahinter manipulierende Absichten lauern. Design darf an keiner Stelle Meinungen in eine bestimmte Richtung lenken wollen. Das gilt genauso für ökonomische wie ethische Einstellungen.“

Julia Ochsenhirt

Julia: Die Grenzen für das Design beginnen immer dann, wenn dahinter manipulierende Absichten lauern. Es gibt so viele Beispiele, in denen Verpackungen im Supermarkt suggerieren, dass man ein nachhaltiges Produkt und gleichzeitig ein gute Gewissen einkauft. Das ist aber oft trügerisch! Design darf an keiner Stelle Meinungseinstellungen in eine bestimmte Richtung lenken wollen. Das gilt genauso für ökonomische wie ethische Einstellungen.

Wir müssen alle wesentlich feinfühliger werden in Bezug auf Manipulation vor allem durch die rasante Ausbreitung von Informationen, die eben auch intelligent designed sein können aber trotzdem ganz falsch sind. Das Beispiel der Nationalsozialisten zeigt ganz deutlich, was passieren kann, wenn ein wirklich gutes Corporate Design missbraucht wird.

Für mich gibt es bei meiner Arbeit auch immer einen ethischen Kompass. Ich würde nie ein Projekt annehmen, in dem ich Unwahrheiten »schön verpacken« müsste. Ich möchte mich mit dem Projekt, an dem ich arbeite auch immer ein Stück weit identifizieren können. Letztendlich muss man sich als Designer auch immer seiner gesellschaftlichen Rolle bewusst sein. Man sollte niemals die Wahrheit verbiegen.

„Für mich gibt es bei meiner Arbeit auch immer einen ethischen Kompass. Letztendlich muss man sich als Designer auch immer seiner gesellschaftlichen Rolle bewusst sein.“

Julia Ochsenhirt

Meike: Wenn du dir was wünschen könntest. Dein Traumprojekt bauen. Was würdest du tun? Wo siehst du unverwirklichte Hebel für wirkungsvolles Design?

Julia: Ich habe ein ganz persönliches Herzensprojekt, das für mich sehr nachhaltig ist: die Verwirklichung einer Grafic Novel. Ich habe vor Jahren damit begonnen und immer wieder gestartet. Nun liegt es seit einiger Zeit in der Schublade. Es wäre ein wirklich großer Schritt, es zu vollenden. Darüber hinaus gibt es gerade jede Menge zu tun, um unser Bewusstsein zu schärfen, dass nur eine Veränderung unseres westlichen Lebensstil dazu führen kann, dass die Welt gerettet wird. Dazu hat natürlich jeder seinen Beitrag zu leisten, aber auch ich als Designerin. Ich sehe es als meine Aufgabe, an Projekten mitzuwirken, die ihren Anteil dazu beitragen.

Meike: Dann wünschen wir dir, dass es Raum geben wird, dieses Herzensprojekt zu realisieren. The heart knows what the heart wants…

 

Zu Teil 1 der Interviewreihe geht’s hier.