Inhalt und Form gehören zusammen. Beim Fährmann agieren wir oft an der Schnittstelle von Content und „Verpackung“. Dabei kooperieren wir mit Freude mit Grafikern und Designern, die einen wesentlichen und leidenschaftlichen Beitrag dazu leisten, wie wir Inhalte wahrnehmen.

Hier nun Teil 3 unserer Interviewreihe zu Nachhaltigkeit und Design.

Im Gespräch Geschäftsführerin Meike Frese mit Mursal Nasr.

Mursal Nasr, gebürtige Westfälin mit afghanischen Wurzeln, lebt und arbeitet als freie Art Direktorin und Kommunikationsdesignerin in Berlin. Sie hat einen breiten Erfahrungsschatz im Gepäck und eine große Liebe für Print – auch in digitalen Zeiten.

Meike: Aus deiner Zeit als Art Direktorin bei Strichpunkt Design stammt folgendes Zitat von dir: „Früher fand ich Geschäftsberichte langweilig und uninteressant. Seit ich mich damit beschäftige und sehe, was alles möglich ist, hat sich meine Meinung geändert.“ Nun gestaltest du seit längerem auch Nachhaltigkeitsberichte. Wie geht es dir mit diesem Format? Was sind deine Erfahrungen?

Hätte ich mit Nachhaltigkeitsberichten begonnen, hätte ich die Berichtswelt vielleicht schneller zu schätzen gelernt.

Mursal: Hätte ich mit Nachhaltigkeitsberichten begonnen, hätte ich die Berichtswelt vielleicht schneller zu schätzen gelernt. Wenn man vorher mit dieser Unternehmenswelt nichts zu tun hat, wirkt erstmal vieles gestellt und gestelzt. Mit der Zeit weiß man, da stehen wichtige und schwierige Entscheidungen dahinter und den Drang, bzw. die Pflicht, diese zu kommunizieren. Nachhaltigkeitsberichte per se haben definitiv einen guten Spaßfaktor bei der Arbeit. Man denkt mehr darüber nach, wie man Prozesse darstellt und ob es Printmethoden gibt, mit denen man Publikationen schadstofffreier und umweltbewusster herausbringen kann.

Meike: „Print ist das neue Bio“ heißt es. Jeder Trend schafft einen Gegentrend, je digitaler wir werden, desto wertiger wird Print als Format. Woher kommt deine Liebe zum Printformat und wo siehst du Print in der Zukunft?

Mursal: Den Spruch habe ich bis jetzt nicht gehört, aber es wäre schön, wenn das stimmt! Ich glaube meine Liebe zu Print hat schon angefangen, als ich klein war: Am liebsten nur drinnen gesessen und gezeichnet oder gelesen. Alles Dinge, die man in der Hand hält und so direkt wert schätzen und manipulieren kann.

Für die Zukunft für Print sehe ich noch nicht schwarz. Es gibt so viele Informationen und Inhalte, die gedruckt mehr Sinn machen. Es kann sein, dass man nun nicht mehr an ein Magazin denken darf, sondern eher an gestaltete Erlebnisse im Raum (Ausstellungen) oder Informations- und Impulsweitergabe durch Plakate/Werbung in der Stadt. Die Schwelle Informationen in Printform aufzunehmen ist viel niedriger, als auf dem Smartphone.

Für die Zukunft für Print sehe ich noch nicht schwarz. Es gibt so viele Informationen und Inhalte, die gedruckt mehr Sinn machen.

Meike: Gerade bei Nachhaltigkeitsberichten stellt sich oft die Frage, ob Print wirklich sein muss. Und doch kommen Botschaften auch heute oft erst dann an, wenn wir was „in der Hand haben“. Wie rechtfertigt sich Print in Zeiten von Ressourcenknappheit?

Mursal: Das ist eine schwierige und berechtigte Frage. Da jedes Printprodukt meistens nur ein befristeter Gebrauchsgegenstand ist, d.h die einmalige Übermittlung einer Botschaft erfüllen muss, wählt man auch mit umweltschonenden Druckmethoden, nur das kleinere Übel. Nicht wirklich nachhaltig. Rechtfertigen kann man es vielleicht damit, dass wirklich wichtige Botschaften im digitalen Raum, mit vielen anderen Botschaften konkurrieren müssen und untergehen können.

Ein Printprodukt vermittelt dagegen eine ganz bestimmte und gezielte Botschaft, man kann sich idealerweise für diesen einen Augenblick voll und ganz auf die Botschaft konzentrieren. Das Printprodukt fängt nicht an zu klingeln oder bittet dich, mehrmals zwischen den Seiten hin und her zu springen. Man weiß von vorneherein, wie viel Informationen man noch vor sich hat und kann diese zur Not kurz beiseite legen. Dann ist das Printprodukt nicht unbedingt aus den Augen, wie zum Beispiel in dem hundertsten geöffneten Tab, sondern liegt einfach neben dem Laptop.

Ein Printprodukt führt in den Augenblick. Es fängt nicht an zu klingeln oder bittet dich, mehrmals zwischen den Seiten hin und her zu springen. Auch beiseite gelegt ist es nicht gleich aus den Augen, wie zum Beispiel der hundertste geöffnete Tab.

Meike: Du lebst in Berlin, mit einer starken Nachhaltigkeitsszene. Wenn du im Alltag um dich schaust, triffst du auf gutes Kommunikationsdesign für Nachhaltigkeit? Wenn ja, wo? Was würdest du dir wünschen? Was fehlt noch?

Mursal: Ich wohne nicht weit weg vom ersten Unverpacktladen in Berlin „Original Unverpackt“. Das ganze Unternehmen hat ein tolles Corporate Design und begibt sich kein bisschen auf die klischeehafte Schiene der Nachhaltigkeitsbilder, die man sonst als erstes im Kopf hat.

Insgesamt sehe ich, zumindest in Berlin, keine altbackenen Designs in dieser Hinsicht. Green Markets, Upcyclingfestivals, Second Hand Läden, sie alle wollen junge Menschen anziehen, dazu braucht man eben ansprechendes, individuell gelöstes Design.

Meike: Du bist letztes Jahr Mutter geworden und arbeitest freiberuflich. Da bist du mitten drin in klassischen Nachhaltigkeitsthemen wie Vereinbarung von Beruf & Familie, potenziellen Karriereknicks bei Frauen durch Nachwuchs, verstärkter Fokus auf gesunde Ernährung und Inhaltsstoffen von Kleidung etc. Was hat sich verändert, seit du einen Sohn hast?

Mursal: Das fängt nicht erst an, wenn das Kind da ist, man wird spätestens während der Schwangerschaft damit konfrontiert und ehrlich gesagt auch überfordert. Mein Partner und ich haben uns vorher viele Gedanken um Nachhaltigkeit mit einem Kind gemacht, aber etwas planen mit und fürs Kind ist müßig, denn vieles entwickelt oder klärt sich mit dem Kind von allein. Konkret haben wir versucht Stoffwindeln zu benutzen, sind dann aber „nur“ bei selbstgemachten, nachhaltigen Feuchttüchern geblieben, wir kaufen viel Second Hand Kleidung oder ich nähe/stricke selbst. Seit unser Sohn da ist, ernähren wir uns auch viel bewusster und gesünder.

Generell achtet man mehr auf Inhaltsstoffe bei Lebensmitteln und Kleidung, ABER wie bei den Windeln ist der Alltag trubelig und oft nimmt man dann das, was praktisch ist. Manchmal plagt mich schon ein schlechtes Gewissen, denn das, was wir machen und benutzen hat Einfluss auf die Zukunft unseres Sohnes. Trotzdem darf man sich nicht verrückt machen; wir tun, was gerade möglich ist und verbessern uns lieber langsam, als überfordert und genervt aufzugeben.

Mein Partner und ich haben uns vorher viele Gedanken um Nachhaltigkeit mit einem Kind gemacht, aber etwas planen mit und fürs Kind ist müßig, denn vieles entwickelt oder klärt sich mit dem Kind von allein.

Meike: Und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Wie war das bei euch?

Mursal: Auch da mussten wir uns langsam rantasten. Am Anfang war ich es, die überraschenderweise sehr in alten Rollenbildern gedacht hat: Wer am meisten verdienen kann in kürzerer Zeit, sollte auch eher arbeiten. Aber das habe ich zum Glück hinter mir und sehe, dass man Familie und Beruf als Frau auf jeden Fall vereinbaren kann.

Da mein Partner und ich beide selbstständig sind, haben wir per se keinen gewöhnlichen, festen Alltag, der über Monate geht. Mal arbeitet der eine, mal der andere und alles dazwischen. Wie wir arbeiten können, so dass es für beide fair bleibt, muss also immer wieder besprochen und austariert werden. Ich bin selber gespannt, wie es da weitergeht.

Am Anfang war ich es, die überraschenderweise sehr in alten Rollenbildern gedacht hat: Wer am meisten verdienen kann in kürzerer Zeit, sollte auch eher arbeiten. Aber das habe ich zum Glück hinter mir.

 

Zu Teil 1 der Interviewreihe (mit Simone Graber) geht’s hier, zu Teil 2 (mit Julia Ochsenhirt) hier