“We now have top and bottom line evidence that brands with a purpose – thoughtful, authentic brands with a purpose – grow faster.” Jonathan Atwood, Unilever

In jüngerer Zeit sind eine Reihe lesenswerter Studien erschienen, die diese Aussage stützen, indem sie die Zusammenhänge von unternehmerischer Verantwortung, Kundenerwartungen und dem Wert von Marken beleuchten.

1. Gewandelte Kundenerwartungen: Transparenz, Wertschätzung und Sinnstiftung

Unter dem Namen Brandshare hat die internationale PR-Agentur Edelman eine umfassende Studie zur Beziehung von Marken und Menschen vorgelegt. Befragt wurden 15.000 Erwachsene aus 12 Ländern (davon über 1.000 aus Deutschland) zu ihren Meinungen und Wünschen an 48 multinationale und 15 nationale Marken aus 11 Konsumbranchen.

Es wurde deutlich, dass sich die Erwartungen der Verbraucher an Marken wandeln und neue Aspekte der Kundenerfahrung in den Mittelpunkt rücken. Anstelle klassischer Werbeprämien wünschen sich die Menschen, gehört zu werden und Ansprechpartner zu haben, die ein authentisches Interesse an ihren Belangen zeigen und lösungsorientiert handeln.

Neben dem Dialog auf Augenhöhe und Zeichen der persönlichen Wertschätzung nannten 58% der Befragten zudem „Sinnstiftung“, also die Erwartung, dass Marken einen gesellschaftlichen Nutzen erbringen. Besonders relevant in diesem Zusammenhang: eine gelebte Mission und Transparenz zur unternehmerischen Verantwortung in der Wertschöpfungskette (Ressourcen, Arbeitsbedingungen). Werden diese Leistungen von Unternehmen erbracht und glaubwürdig vermittelt, steigen kundenseitig die Kaufbereitschaft und die Weiterempfehlungsrate von Marken.

2. Return on Meaning: Sinnstiftende Marken sind überdurchschnittlich profitabel

Die weltweite Studie „Meaningful Brands 2015“der HAVAS Group untersucht die Zusammenhänge von individuellem Wohlbefinden der Konsumenten, dem gesellschaftlichen Engagement von Marken und ihrer kommerziellen Stärke. Neben der Fragestellung ist auch der Umfang der Studie als bemerkenswert zu bezeichnen: 700 Marken, 134.000 Konsumenten aus 23 Ländern.

Das Wohlbefinden oder die Lebensqualität der Verbraucher wurde auf Basis von 12 verschiedenen Kriterien wie Gesundheit, Freunde, Beziehungen und der finanziellen Situation bewertet.

70 Prozent der Deutschen erwarten, dass sich Marken aktiv an der Lösung sozialer und ökologischer Probleme beteiligen sollten, zugleich glauben nur 23 %, dass Markenartikler daran arbeiten, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Auch das Vertrauen in und die Bedeutung von Marken nimmt kontinuierlich ab, vor allem in reifen Konsumgesellschaften.

Die Autoren stellen fesst, dass Marken, die einen wahrgenommenen positiven Beitrag zum Leben von Menschen leisten, mit einem stärkeren Geschäftsergebnis belohnt werden – Dank des „Return on Meaning” (ROM, Umsatz gemessen an Bedeutung). Was können Unternehmer und Markenmanager daraus lernen?

  • Konzentrieren Sie sich zuerst auf den Menschen und dann auf den Konsumenten
  • Erhöhen Sie das Wohlbefinden des Einzelnen, der Gemeinschaft und der Umwelt
  • Wirtschaften Sie nachhaltig und kommunizieren Sie glaubhaft
  • Gestalten Sie Partnerschaften mit Menschen, um ihre Lebensweise zu verbessern
  • Schaffen Sie bedeutsame Beziehungen zu Menschen

Kurzum: Wertorientierte Markenführung, Partizipation und Dialog zeichnen sich als Schlüsselfaktoren für Unternehmenserfolg ab.

3. „Lift-Effekte“: Nachhaltigkeit untermauert Markentreue, Qualitätsimage und Mehrpreisbereitschaft

Unter dem Titel „Nachhaltigkeit 2015“ erschien zu Jahresbeginn eine branchenübergreifende Studie von absatzwirtschaft und defacto research & consulting. Grundlage war eine Onlinebefragung von knapp 3.000 Verbrauchern zu 100 bekannten Marken aus 10 Konsumbranchen – von Automobilen über Fashion und Food bis hin zu Elektronik, Finanzen und Hotellerie.

Im Fokus standen die aktuellen Wahrnehmungen sowie Zukunftserwartungen von Kunden in Hinblick auf die Nachhaltigkeitsleistungen von Marken und Unternehmen. Ein nennenswerter Gap aus aktueller Wahrnehmung und künftigen Erwartungen an die Nachhaltigkeit von Marken liefert Entscheidern gewichtige Argumente dafür, nachhaltiges Lieferkettenmanagement und den schonenden Umgang mit Ressourcen weiter voranzutreiben.

Die Studie liefert zudem Hinweise auf so genannte „Lift-Effekte“, die Auswirkungen nachhaltigen Handelns auf Aspekte wie Markentreue, Qualitätsimage und Mehrpreisbereitschaft ausdrücken. Beispielsweise in der Branche „schnell drehender Konsumgüter“ führt eine hohe wahrgenommene Nachhaltigkeit bei 49% der Kunden zu einer höheren Einschätzung der Produktqualität und bei 52% zur Steigerung der Markenloyalität. 44% der Befragten betonten zudem, sie hätten einfach ein besseres Gefühl beim Kauf, wenn sie wüssten, dass Marken (bzw. die Unternehmen dahinter) entschieden an der Steigerung ihrer Nachhaltigkeitsleistungen arbeiten.

4. Von der Markensubstanz zum Markenversprechen, in dieser Reihenfolge und nicht umgekehrt

Unter dem Titel „Nachhaltige Markenführung“ zeigt das Institut für Handel und Internationales Marketing der Universität des Saarlandes, wie Nachhaltigkeit gewinnbringend in Produkt- und Unternehmensmarken verankert werden kann. Ein Großteil der befragten Unternehmensvertreter geht davon aus, dass bis 2020 die Bedeutung von Nachhaltigkeit für das Markenmanagement weiter erheblich zunehmen wird. Dabei werden neue Kommunikationstechnologien und der Wertewandel als Haupttreiber für mehr Transparenz und Nachhaltigkeit im Kerngeschäft genannt.

Die Autoren um Institutsleiter Prof. Zehntes beschreiben in dem Zusammenhang die hohe Konsistenz zwischen der Nachhaltigkeit in der Markensubstanz und dem Markenversprechen als Schlüsselkriterium. Das heißt, Nachhaltigkeit muss konsequent im gesamten Wertschöpfungsprozess verankert sein. Dies gelingt nur durch überzeugtes Handeln auf allen Hierarchieebenen und langfristiges „Dranbleiben“ an den branchenrelevanten Nachhaltigkeitsherausforderungen. Dieses Handeln sollte gegenüber Anspruchsgruppen authentisch, transparent und -wo angebracht- auch dialogisch kommuniziert werden. Um Greenwashing zu vermeiden, gilt in jedem Fall: erst handeln – dann darüber sprechen. Auch externe Kontrollen und Zertifikationen sind wichtig, um das Vertrauen der Anspruchsgruppen zu stärken. Sind diese Bedingungen erfüllt, profitieren Unternehmen messbar durch:

– Erhöhung der Glaubwürdigkeit
– Steigerung von Reputation und Markenimage
– Sicherung der Legitimität
– langfristigen Unternehmenserfolg

Im Anhang der Studie wird anhand von drei einschlägigen Unternehmensbeispielen gezeigt, wie die Umsetzung gelingen kann.

5.  Nachhaltigkeit als Premium  

Dass Kunden heute über ein immer differenzierteres Verständnis von Nachhaltigkeit verfügen, belegt die aktuelle Untersuchung  „Sustainability Image Score“, die Fazit Research seit 2011 jährlich in Kooperation mit Serviceplan und Wirtschaftswoche durchführt. Die Ergebnisse des SIS-Barometers fließen seit 2013 in die Bewertungen der Jury zum Deutschen Nachhaltigkeitspreis ein. In der Untersuchung von 2015 standen auf dem Prüfstein 100 bekannte Marken aus 16 Branchen. Befragt wurden über 8.000 Probanden, um die Auswirkungen von Nachhaltigkeit auf das Unternehmensimage, die Kaufbereitschaft und die Kundenbindung zu prüfen. Zudem bewerteten die Konsumenten die Nachhaltigkeitsleistungen der Unternehmen und deren Kommunikation zum Thema.

Ergebnisse: auch im 5. Jahr seit erstmaligem Erscheinen der ersten Studie wurde Nachhaltigkeit als gesellschaftliches Megathema bestätigt. Es zahlt neben klassischen Dimensionen wie Qualität, Werte, Attraktivität, wirtschaftlicher Erfolg und Führung weiterhin zuverlässig auf das Unternehmensimage ein, und wird von den Verfassern auf etwa 15% beziffert. Kein Wunder, denn Nachhaltigkeit stützt Marken in ihrer ureigenen Zweckerfüllung: indem sie emotionale Verbundenheit zum Kunden schafft. Nur so erklärt sich ihre Wirkung auf die Kundenbindung.

Erneut wurden die Nachhaltigkeitsleistungen von Unternehmen aus den Branchen Babynahrung, Automobil, Molkereiprodukte, Haushaltswaren, Convenience/Tiefkühlkost, Touristik und Süßwaren positiv bewertet. Aus Verbrauchersicht haben ebenfalls die Drogeriebranche, Versicherungen, Energiedienstleistungen, Consumer Electronics, Lebensmittel und selbst Finanzdienstleistungen aufgeholt und die kritische Reputationszone verlassen. Wobei Ausnahmen die Regel bestätigen. Während etwa der Finanzdienstleister Unicredit zu den 5 Top-Aufsteigern zählt, bekleidet die Deutsche Bank einen der hintersten Plätze im Markenranking. Die Verfasser der Studie sparen auch nicht mit interessanten Einzelbeispielen wie etwa E.ON. Die Marke hat offensichtlich von der geschickten Neuausrichtung der Kernmarke auf erneuerbare Energiequellen bei gleichzeitiger Ausgliederung von Atomkraft, Kohle und Gas in eine andere Gesellschaft profitiert.

Die Autoren bezeichnen die Modebranche als Sorgenkind. Auch zwei Jahre nach Rana Plaza übernehmen die Unternehmen aus Verbrauchersicht noch keine ausreichende Verantwortung in der Lieferkette und lassen Transparenz vermissen. Als „Flop-Branchen“ in Sachen Nachhaltigkeitsengagement und -kommunikation gelten nach wie vor Telekommunikation und Fast Food.

Im Großen und Ganzen belegt das Barometer, dass Unternehmen aus den meisten Branchen die Chancen von Nachhaltigkeit ergreifen. Der Vergleich der Ergebnisse aus fünf Jahren hat auch gezeigt, dass kurzfristige Hypes zwar zu momentanen Erfolgen führen, diese jedoch nicht unbedingt anhalten. So erging es den Automobilherstellern, die noch 2014 vom Medientrubel um Elektro- und Hybridtechnologien profitierten, die positiven Kundenbewertungen in 2015 aber nicht halten konnten. Auch hierin drückt sich erneut die hohe Bedeutung von Nachhaltigkeit im Kerngeschäft und wirksamer Kommunikation aus.

Hier zum Wirtschaftswoche Artikel mit einem Überblick der Studienergebnisse von 2011-2015

6. Marken: Gold wert 

Zu den Erfolgskriterien und wirtschaftlichen Dimensionen weltweit anerkannter Marken empfiehlt sich die Lektüre des aktuellen BrandZ Top100 Report der globalen Markenberatung Millward Brown. Neben extremer Kundenorientierung zur Gestaltung rationaler wie emotionaler Aspekte des Markenerlebnisses beschreiben die Autoren Nachhaltigkeit als wesentliches Teilelement erfolgreicher Marken. Die atemberaubenden Zahlen zur ökonomischen Performance dieser value brands sprechen für sich und bedürfen an dieser Stelle keiner weiteren Kommentierung.

NB: Hervorragende Visualisierung der Fakten mittels Infografiken – betrachtenswert.

Ergänzend dazu empfiehlt sich der Klassiker Best German Brands 2015  der Markenberatung Interbrand, die auch in diesem Jahr wieder erhellende Zahlen vorlegt: Mercedes-Benz und BMW führen mit Abstand die Skala der 50 untersuchten Marken; beide überschritten die Schwelle von 25 Milliarden Euro Markenwert. Insgesamt repräsentieren die deutsche Automarken 45% des Gesamtwerts aller untersuchten deutschen Marken.

Fazit: Megatrend Nachhaltigkeit. Bedeutung für Marken steigt mit dem Verständnis der Verbraucher 

Dass Nachhaltigkeit nach wie vor als „Megatrend“ gilt, ist angesichts der täglich eintreffenden Meldungen zu Klimawandel, Wasserkrise, zerstörten Regenwäldern, sozialer Ausbeutung usw. kaum verwunderlich.

Aus Kundensicht spielt „Sinnstiftung“ durch gesellschaftlichen Nutzen neben klassischen rationalen und emotionalen Nutzenversprechen eine zunehmend wichtige Rolle. Gerade gut informierte junge Konsumenten setzen unternehmerische Verantwortung einfach voraus.

Die zitierten Studien belegen, dass so genannte „vor-ökonomische“ Größen wie Markenloyalität, Reputation und Legitimität eine herausragende Wirkung auf die mittel- und langfristige Wertschöpfung von Unternehmen besitzen. Für manche mögen sie nebulös und wenig greifbar klingen, tatsächlich handelt es sich um messbare, überaus wirkmächtige Erfolgsfaktoren, auch in monetärer Hinsicht. Nachzulesen nicht nur in den Untersuchungen von Interbrand und Millward Brown, sondern auch in den Bilanzen der bekannten Konsumgüterhersteller – siehe „immaterielle Vermögenswerte“.

Allen Hinweisen auf Verhaltenslücken zum Trotz: Eine konsequente Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen und ein glaubwürdig kommuniziertes Nachhaltigkeitsmanagement im Kerngeschäft bereichern die Markensubstanz und wirken positiv auf langfristige Werttreiber wie Loyalität, Reputation und Legitimität. Diese stellen unerlässliche Pfeiler der künftigen Ertragskraft von Unternehmen dar. Eine gemeinsame Untersuchung von BCG und MIT Sloan Review aus dem Jahr 2012 trug den Titel: „Sustainability Nears A Tipping Point“.  Heute ist dieser Punkt vielleicht schon erreicht.